
Einführung in die Ausstellung
1910 war die Bachgasse die „Einkaufsmeile“ Auerbachs. Dort gab es u.a. eine ganze Reihe von Metzgereien, viele, viele Biobauern und sogar schon zwei Fahrradläden.
Da ist vor allem ein Betrieb aus der Bachgasse 94 zu nennen, der inzwischen schon lange zu groß geworden ist für eine Einkaufsmeile, nämlich die Korkschneiderei Sanner. Schon damals wurden nicht nur Korken für Weinflaschen hergestellt, sondern bald auch Korken für kleine Tablettenröhrchen und auch Exotisches wie Einlagen in Tropenhelme. Als der Betrieb aus der Bachgasse auszog, hatte er schon 27 Mitarbeiter, blieb aber zunächst noch Korkschneiderei. An seinem neuen Standort nahe dem Bahnhof änderte sich das bald. Aber an der Tradition, in großem Umfang Verpackungen für pharmazeutische Produkte herzustellen, hat man festgehalten. Deutlich über hundert Jahre.
Noch älter ist die Freiwillige Feuerwehr Auerbach. Sie verdankt ihre Entstehung dem Turnverein „Gut Heil 1881“, der eine Turnerfeuerwehr gründete, die schon bald als eigenständige Feuerwehr arbeitete. Dieses Jahr kann sie ihr 125jähriges Jubiläum feiern. (Die Schnellrechner kommen also auf 1890 als Gründungsdatum.)
Über einen Bereich ihrer Tätigkeit kann man sich schon in unserer Ausstellung informieren, nämlich über ihre Einsätze bei den schweren Hochwassern, die Auerbach und nicht zuletzt die Bachgasse immer wieder heimsuchten.
So war am 25. April 1928 die Bachgasse bis zur Krone hin einen halben Meter hoch mit Schutt, Steinen, Holz und Schlamm bedeckt.
In der Wolfsschlucht wurde ein wahrer Kaventsmann von Stein angeschwemmt, den man noch heute dort sehen kann. Seine Inschrift wurde auf Initiative der Stadtteildokumentation aufgefrischt und er selbst deutlicher in Positur gebracht, damit man auf ihn aufmerksam wird.
Tagelang war die Feuerwehr 1928 rund um die Uhr mit Aufräumarbeiten beschäftigt.
1931, 1965, 1966 und 1983 kam es wieder zu schweren Überschwemmungen mit örtlich teils noch größeren Verwüstungen als 1928.
Dann wurde der Bach (von 1985 bis 1987) vollständig verdolt. Seitdem gab es keine schweren Hochwasser mehr, und die Feuerwehr kann wieder mehr ihrem Namen gerecht werden und muss nicht immer wieder Großeinsätze als „Wasserwehr“ leisten.
Besonders traditionsreich und weit älter als 125 Jahre ist die Dorfmühle, Bachgasse Nr 71.
Schon 1475 wird sie als „Unterste Mühle“ erwähnt und war schon damals die wichtigste Mühle im Tal. Vielleicht geht sie sogar auf die Bauzeit des Auerbacher Schlosses Mitte des 13. Jahrhunderts zurück.
Jetzt komme ich zur Bachgasse Nr. 60, zum Rats- und Schulhaus.
Man kann sich streiten, welche Aufgabe wichtiger ist, die oberste Verwaltungsspitze oder die Schule. So viel ist freilich sicher. Schon in die zwei Schulsäle des neu errichteten Hauses zogen 300 Schüler ein. Es blieb aber nicht bei 150 Schülern pro Saal – nebenbei gesagt, eine Zahl, die das Herz jedes heutigen Finanzministers höher schlagen ließe. Und deshalb musste das Haus bald aufgestockt werden für zwei neue Säle. Wenn man die Größe der heutigen Schlossbergschule mit der des Rat- und Schulhauses vergleicht, kann man sich denken, welche Erlösung es für Schüler und Lehrer war, als 1911 die Schlossbergschule gebaut wurde.
Der Bürgermeister hatte freilich angesichts der immer steigenden Schülerzahlen schon 1906 anderswo ein Unterkommen gesucht und gefunden und kehrte erst nach dem Schulneubau ins Rathaus zurück.
Ein wichtiger Bestandteil der Auerbacher Bevölkerung waren auch die jüdischen Familien. Sie hatten sogar eine eigene Schule, in der mit Sicherheit nicht 150 Schüler und Schülerinnen pro Klasse saßen.
Die Schule ist abgerissen, aber die Synagoge steht noch und zwar in Bachgasse Nr.30.
Dass sie erhalten ist, verdanken wir zwei Umständen: Zum einen der Tatsache, dass der Vorsteher der jüdischen Gemeinde die Synagoge schon 1934 verpachtet hatte, so dass beim Pogrom von 1938 der Besitzer sich dagegen verwahrte, dass sein Arbeitsplatz abgefackelt werden sollte. Zum anderen aber dem Umstand, dass die Stadt Bensheim, als 1974 die Synagoge abgerissen werden sollte, in der Synagoge ein baugeschichtlich wichtiges Gebäude erkannte und zusammen mit der Hessischen Denkmalpflege für die Außenrenovierung großzügige Mittel zur Verfügung stellte.
Eine andere Erinnerung an die jüdischen Bürger sind die 12 Stolpersteine, die in Auerbach verlegt worden sind. Die Informationen auf den Steinen sind freilich sehr knapp gehalten. Ausführlichere findet man heute in unserer Ausstellung, sonst sind sie auch auf der Homepage des Synagogenvereins zu finden.
Zu den jüdischen Familien zählte auch ein Zweig der Familie Rothschild. Leider nicht der Zweig der Großbankiers, sonst wäre Auerbach heute vielleicht Konkurrent von Frankfurt und London. Unser Rothschild beherrschte nicht die Börse, sondern betrieb im Haus Bachgasse 8, das nicht mehr steht, eine Nussdörre.
Die Walnussbäume müssen damals gesünder gewesen sein als heute. Denn allein in der Bachgasse gab es mindestens zwei Nussdörren und im kleinen Hambach sogar drei, wo über Feuern aus Stockholz die Nüsse in großem Stil getrocknet wurden.
Empfehlen möchte ich Ihnen auch, sich über das alte evangelische Pfarrhaus in der Bachgasse Nr.39 zu informieren, an dessen Stelle heute das evangelische Gemeindezentrum steht. Bei dieser Gelegenheit liest sicher mancher auch gern etwas über die Glockenweihe von 1950 in der Bergkirche.
Weit über die Grenzen Auerbachs hinaus bekannt war die „Winzerstube Kaltwasser“, Bachgasse Nr.17.
Als Michael Kaltwasser dort 1891 eine Zapfwirtschaft einrichtete, hieß sie freilich noch so, wie es auch der Heilsarmee gefallen hätte, nämlich „Zum frischen Quell“. Doch Michaels Sohn Fritz Kaltwasser begann dann mit dem Anbau von eigenem Wein und benannte die Gaststätte folgerichtig um in „Winzerstube Kaltwasser“. Jetzt wurde sie so beliebt, dass er bald weitere Weinberge anlegen musste, um den Bedarf mit eigenem Wein befriedigen zu können. Auch heimste er erfolgreich viele Preise für seine Weine ein, doch auch seine anderen kulinarischen Spezialitäten wie Odenwälder Kochkäs, Wurstplatten, Bratwürste und Winzerstubensteaks trugen wesentlich zum Erfolg bei.
Die Gastwirtschaft ist mit wechselnden Betreibern bis heute erhalten geblieben. Doch der Name hat gewechselt, freilich nicht zurück zu „Zum frischen Quell“, sondern Gemütlichkeit verheißend zu „Hansi’s und Lolly’s Stübchen“, das zur Zuflucht für Raucher geworden ist.
Walter Böhme




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Es handelt sich um den Aufsatz von Hannelore Volk über Pfarrer Karl Leydhecker.

